Im Fokus – Verena Pliger

Verena Pliger
Direktorin Wochenmagazin ff

Was bedeutet Wahrheit für Sie?
Wahrheit bedeutet für mich, gründlich und sauber zu recherchieren, Quellen kritisch zu prüfen und auch unbequeme Fakten stehenzulassen.

Welches Wort verbinden Sie ganz spontan mit der Wahrheit?
Recherche. Im Journalismus genügt es nicht, etwas „gehört zu haben“. Fakten müssen belastbar sein, Zahlen verifiziert werden, und Zusammenhänge klar nachvollziehbar bleiben.

Wie wichtig ist es Ihnen, die Wahrheit zu sagen, auch wenn es unangenehm sein kann?
Viele Menschen wünschen sich, in der Berichterstattung ins beste Licht gerückt zu werden. Unangenehme Wahrheiten hingegen schmerzen – das kann ich gut nachvollziehen. Doch in dem Moment, in dem wir aus Rücksichtnahme bestimmte Fakten verschweigen, verlieren wir unsere Unabhängigkeit. Dann wird aus Journalismus Meinung – und genau das gilt es zu vermeiden.

Wie wägen Sie den Wahrheitsgehalt einer Aussage ab?
Als Journalistinnen und Journalisten erhalten wir häufig Hinweise, interne Informationen oder hören Dinge im Vertrauen – vieles davon klingt zunächst nach einer großen Geschichte, nach einem Scoop. Dann beginnt die eigentliche Arbeit: recherchieren, prüfen, hinterfragen. Und mitunter zeigt sich dabei, dass die Story schrumpft. Einzelne Details lassen sich nicht belegen, Zusammenhänge bestehen nicht oder verlieren an Substanz. Am Ende bleibt womöglich nur ein kleiner Ausschnitt übrig – fundiert, aber weniger spektakulär. Und für die Auflage nicht unbedingt förderlich. Trotzdem gilt: Unsere Aufgabe ist es, bei den Fakten zu bleiben – auch wenn die Geschichte dadurch weniger glänzt.

Wo bräuchte es mehr Wahrheit?
Es kommt immer wieder vor, dass mir Unternehmerinnen und Unternehmer im Vorgespräch wirklich interessante, ehrliche Geschichten erzählen. Doch sobald das Mikro läuft oder sie die Bühne betreten, rudern sie zurück – mit Floskeln und PR-Sätzen. Das ist schade, vor allem fürs Publikum. Denn weichgespülte Formulierungen interessieren kaum, da bleibt wenig hängen. Gerade in der Wirtschaftskommunikation bräuchte es mehr Offenheit. Denn oft überzeugt eine unperfekte Wahrheit weit mehr als eine perfekt inszenierte Erzählung.

Welche war Ihre letzte (Not)Lüge?  
Anfang Juli standen wir bei 35 Grad Hitze mit vollgepackten Koffern am chaotischen Hafen von Santorini. Das Shuttle zum Flughafen wartete seit über 30 Minuten vor uns – allerdings ohne jegliche Anzeichen, bald loszufahren. Also habe ich kurzerhand behauptet, unser Flug gehe in eineinhalb Stunden. Tatsächlich hatten wir noch gut drei Stunden Zeit. Die Notlüge hat gewirkt: Keine 60 Sekunden später saßen wir im angenehm klimatisierten Bus Richtung Flughafen.

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